Wir haben es geschafft. Wir haben es geschafft, uns in Sachen Stereotypen und
Klischees von Frauen in der Werbung von 1960 bis 2011 nur
wenige Millimeter nach vorn zu bewegen.
So sehen wir Frauen immer noch viel zu häufig in der Rolle der perfekten Superfrau.
In den 60er war es die adrette Hausfrau. Kinder, Küche, Kirche die Aufgaben.
Heute ist noch etwas mehr hinzugekommen. Unter dem einen Arm das Kind, unter
dem anderen den Laptop, den Wochenmarkteinkauf dabei und fehlen darf natürlich
auch nicht die scharfe Unterwäsche unter dem Designer-Kostüm, um nach einem
privat und beruflich ausgefüllten, glücklichen Tag noch einen allen Erwartungen
entsprechenden perfekten Abend zu verbringen.
Ist dies wirklich genau das, was Frauen heute noch sehen wollen, nachdem sie nun
schon einen so weiten Weg hinter
sich gebracht - und so viele Bewegungen und Veränderungen ausprobiert und
vollzogen haben? Nach Heimchen am Herd, sexueller Revolution, gestählten,
durchtrainierten Körpern durch Bodybuilding, der Ära der Supermodels, Unisex-Mode
und Girls Power sollten Frauen eigentlich in 2011 angekommen sein dürfen.
Denn sie haben sich immer mehr den erwarteten Formen und Normen entzogen. Was jedoch
dagegen unverändert geblieben ist, sind die Erwartungen und die Anforderungen. Die Standards sind hoch angesetzt. Sehr hoch sogar. Frauen sollen tough sein, aber nicht zu tough. Sie sollen den
Haushalt schmeißen, aber nicht ausschließlich. Sie sollen beruflich erfolgreich
sein, aber bitte nicht zu sehr. Sie sollen unabhängig sein, das aber auch nicht
ohne Partner an ihrer Seite. Zusammengefasst: Sie sollen rundum perfekt sein.
Und genau diesem Anspruch wollen
Frauen immer weniger gerecht werden. Klar, dass sie sich in der Welt der
Klischees und Stereotypen nicht mehr wiederfinden und die werbliche Ansprache
häufig eindeutig daneben liegt –oder sich gar nicht gezielt an die weibliche
Käuferschaft richtet.
Dabei ist die ständig zunehmende Bedeutung der weiblichen Kaufkraft mehr als rasant,
in gefühlt entgegengesetzter Gemächlichkeit dagegen steigt das Verständnis für
Frauen und ihre Bedürfnisse.
Das ist grob fahrlässig, wenn man bedenkt, dass Frauen weltweit 60% der Markenkäufe
tätigen und bei 80% aller Käufe den entscheidenden Einfluss haben. Auch die
Zahlen, dass das weibliche Einkommen weltweit mehr als zweimal so hoch ist, wie
das Einkommen der Volkwirtschaften Indien und China zusammen, sind
beeindruckend.
Nur weil es die Vorzeige-Kampagnen „Omo – Dirt is good“, die leider nicht in
Deutschland läuft und „Dove – Wahre Schönheit“ schon gibt, ist damit für den
Bereich Investments, die Autoindustrie und die Banken noch kein Meter gemacht.
Hier fühlen sich immerhin fast die Hälfte aller Frauen unverstanden. Ähnliches
gilt für Versicherungen und Computer. Das weltweit größte Potential dieser gewaltigen
Zielgruppe wird in vielen Bereichen noch vollkommen unterschätzt.
Und bis sich da etwas ändert, machen Frauen einfach ihr eigenes Ding. Selten
perfekt, ganz anders und sehr individuell. Das mündet bei vielen in einen
eigenen Weg, hin zu einem neuen Verhaltensmuster – dem flexiblen Jonglieren von
Anspruch und Wirklichkeit ohne Perfektionsanspruch.
Für viele Frauen ist dieses Verhalten die richtige Antwort für viele Aspekte ihres
Lebens und der einzig wahre Weg, um eine echte Frau in einem vielleicht nicht
perfekten, aber dafür individuellen und vor allem realen Leben zu sein. Mit
einem eigenen Lebensstil, eigenen Looks und eigenen Styles.
Sie schafft sich neue Berufsbilder und Chancen, lässt sich eben nicht in etablierte
Systeme pressen und wählt einen anderen Weg für Mutterschaft, Job, Schönheit - und den eigenen Lebensstil.
Viele Frauen haben die Mutterschaft längst neu definiert. Sie unterwerfen sich nicht
mehr dem Druck von außen, ein Genie heranreifen zu lassen und die immer
perfekte Mutter zu sein. Intuitive Mütterlichkeit und Akzeptanz des Unperfekten
machen das Muttersein immer mehr aus.
Auch die stetige Zunahme von Patchwork-Familien ist der absolute Gegenentwurf zur
perfekten Familie. Bei mehr als 10 Millionen Patchwork-Familien in Deutschland ist
dies auch nicht mehr die unbedeutende Ausnahme, sondern schon fast der ganz
normale, alltägliche Familienbetrieb. Da hilft nur Improvisation, Flexibilität
und Offenheit.
Das gilt auch für den Beruf. Frauen haben ihre eigenen, ganz flexiblen Wege zum
persönlichen Erfolg gefunden und orientieren sich nicht mehr an dem sehr
männlich ausgelegten Spiel in Wirtschaft und Politik um Erfolg und Macht. Sie
sind längst aus dem Spiel ausgestiegen und in der realen Welt angekommen. Viele
machen jetzt ihr eigenes Ding. 41% der neuen Unternehmen wurden in 2010
von Frauen gegründet.
Und während die einen noch an der von Medien geschaffenen Definition von Schönheit
festhalten, gibt es bereits eine ausgeprägte und sichtbare Gegenreaktion zu Schönheitsoperationen
und durch Botox geschaffene Jugendlichkeit. Reale Schönheit und echte Frauen
sind so populär wie schon lange nicht mehr.
Diese echten Frauen gilt es zu verstehen, und sich mit dieser sich stetig
verändernden und wirtschaftlich hoch attraktiven Zielgruppe auseinanderzusetzen.
Zuhören, Zusehen, Austauschen, Lernen, um das eigene Verständnis zu
hinterfragen, zu korrigieren und zu verbessern.
Mehr zu diesem spannenden Thema gibt es unter www.navigating-venus.com.